“Wer sagt das Mineralien totes Gestein sind? Die kategorische Unterscheidung des westlichen Denkens zwischen lebendiger, aktiver und “lebloser”, vermeintlich passiver Materie bildet die Voraussetzung dafür, Bodenschätze hemmungslos auszubeuten. Das sagt die Anthropologin Elizabeth Povinelli, die sich intensiv mit Konflikten zwischen der kolonialen Gesetzgebung über Landnutzungsrechte und den Naturauffassungen indigener Bevölkerungen beschäftigt hat. Doch auch im westlichen Denken selbst – so in der romantischen Naturphilosophie eines Novalis – findet man Vorstellungen, die sich gegen die Alleinherrschaft von ökonomischem Kalkül und wissenschaftlichen Rationalismus wenden.” Alexander Klose
Der aus Usbekistan gebürtige deutsche Künstler Viktor Brim beschäftigt sich mit der Aktivität von Gesteinen. Ihn interessieren sowohl die Umstände ihrer Förderung als auch die Dynamiken, in die sie selbst eingelassen sind und die von ihnen angestoßen werden, von der Geologie über die Ökonomie bis zur Politik. Für Mein Schatz entwickelte er die Mehrkanal Videoarbeit the cavity on the inside (Die Grube innendrin). Sie basiert auf animierten 3D Scans von Gesteins- und Schlackebrocken, die er in ehemaligen Minen und auf Halden des Mansfelder Landes fand. Die Videos dokumentieren und simulieren verschiedene Fließzustände und Strukturbildungsprozesse von Gesteinen. Natürliche Vorgänge wie Oxidation, Versinterung und Verzerrung, die Tausende oder sogar Millionen von Jahren in Anspruch nehmen können, werden beschleunigt und spekulativ mit metallurgischen Verfahren aus der Hüttenindustrie gekreuzt, um Wirkmächigkeiten und geologische Tragweiten zu erforschen.
So beschreibt Viktor Brim “The Cavity on the Inside”, welches in Zusammenarbeit mit dem Koproduktionslabor realisiert wurde. Es wurde als Teil des werkleitz Festivals im Kornspeicher und Inspektorhaus des Novalis-Museum Wiederstedt ausgestellt. Für dieses Projekt forschte das Koproduktionslabor in Zusammenarbeit mit Viktor an neuen 3D Scanning Technologien, Echtzeit Darstellung von komplexer 3D Geometrie und erzählerischen Möglichkeiten zur Darstellung der jahrtausende andauernde Veränderungszustände der Gesteine.
Im Detail wurde im Rahmen des Projekts mit der NeRF (Neural Radiance Fields) Technologie von Nvidia experimentiert, um stark reflektierende Objekte, welche sich durch die Versinterung der Gesteine in Höhle ergeben, scannen zu können. Diese neue Technologie ermöglicht es, durch Künstliche Intelligenz Reflexionen im dreidimensionalen Raum korrekt darzustellen. Aufgrund des frühen Stadiums der Technologie ist eine Weiterverarbeitung in den Industrie üblichen 3D Programmen nicht möglich, weshalb für dieses Projekt Photogrammetrie für das Scannen genutzt wurde.
Um die hochauflösenden 3D Scans in vollem Detail Umfang darstellen zu können, experimentierte das Koproduktionslabor mit der Nanite Technologie der Unreal Engine. “Nanite ist das virtualisierte Geometriesystem der Unreal Engine 5, das ein neues internes Mesh-Format und eine neue Rendering-Technologie verwendet, um pixelgenaue Details und hohe Objektzahlen zu rendern. Es arbeitet auf intelligente Weise nur mit den Details, die wahrgenommen werden können, und nicht mit mehr.” Die bis zu 20.000.000 Polygonen eines Steinscans konnten in Echtzeit in der Unreal Engine dargestellt und gerendert werden. Aufgrund der fehlenden Möglichkeit, diese Nanite Meshes animieren zu können, musste für dieses Projekt auf klassische Renderings in Blender umgestiegen werden.
Ein Großteil der Animationen in Blender wurden in der neuen Visual Coding Umgebung “Geomtry Nodes” angelegt. Hierdurch konnten performance optimierte Animationen erstellt werden, die sowie in der Raytracing Render Engine Cycles als auch in der Echtzeit Render Engine Eevee funktionierten.
Parallel wurde auf der Sound-Ebene erkundet, wie sich die gesammelten Bildaufnahmen aus der Grube nutzen lassen, um Klänge zu synthetisieren/sonifizieren. Die Idee, das Spektrum einer Soundscape aus der Komplexität von Gesteinsstrukturen herzuleiten, diente schließlich als Ausgangspunkt für das eigene Klanginstallations-Projekt Mineral Echoes. Darüber hinaus wurde ein Sound-Design erstellt, das konzeptionell auf dem sogenannten Gesteins-Zyklus basiert. Über Geräusche wurde erzählt, wie sich Mineralien bilden und kontinuierlich transformieren.
Auch wurde sich mit der Spatialisierung von Geräuschen befasst. Als Aufführungsort diente ein Kellergewölbe mit zwei separaten, orthogonal angeordneten Räumen, die über einen schmalen Durchgang miteinander verbunden waren. Jeder Raum verfügte über ein 4-Kanal-Lautsprecher-Setup, wobei einzelne Sounds raumübergreifend bewegt werden sollten. Da dies mit gängigen Panning-Tools nicht bewerkstelligt werden konnte, wurde ein spezielles auf den Raum angepasstes Setup in der Software Max/MSP programmiert. Mit diesem wurde es möglich, Sounds in Echtzeit durch das gesamte Kellergewölbe zu bewegen. Geplant ist, dieses Programm weiterzuentwickeln und zu veröffentlichen, sodass es für beliebige Raumkonfigurationen auch in anderen Projekten eingesetzt werden kann.
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