Für die am 24. April 2024 eröffnete Ausstellung “Kopfüber in die Kunst” kooperierte das Digitale Koproduktionslabor mit dem Masterstudiengang Szenografie und Kommunikation der Fachhochschule Dortmund und dem Museum Ostwall. Im Rahmen dieser Kooperation entstand der Ausstellungsraum un|fenced – eine künstlerische Interpretation des Gemäldes „Großer Zoologischer Garten“ von August Macke (1913, aus der Sammlung des Museum Ostwall) – als eine begehbare interaktive “Environment”.
Die Zusammenarbeit startete im Sommer 2023 mit Vorgesprächen zum Finden eines gemeinsamen Konzepts. Als Vorgabe galt es, Mackes Gemälde mit digitalen Mitteln künstlerisch zu interpretieren. Die Hauptarbeitsphase begann schließlich mit dem Start des Wintersemesters 23/24 an der Fachhochschule.
Dabei nahmen Mitglieder des KoLab-Teams an den wöchentlichen Seminarterminen teil und begleiteten den Prozess der künstlerischen sowie technischen Konzeption. Bei der konkreten Umsetzung war das KoLab schließlich praktisch künstlerisch involviert. Außerdem agierte das Lab als Bindeglied zwischen dem Kurs und dem Museum Ostwall. Im laufenden Betrieb war das Lab schließlich auch Ansprechpartner für Wartungsarbeiten.
Raumkonzept
Bei “Kopfüber in die Kunst” handelt es sich um eine Familienausstellung, die explizit Kinder und Jugendliche ansprechen soll. Die eigene Projektbeschreibung lautet dabei wie folgt:
“Was passiert, wenn ein ganzer Raum zum Kunstwerk wird? Das könnt ihr in der Ausstellung Kopfüber in die Kunst des Museum Ostwall im Dortmunder U erleben. Die Kunstwerke umgeben euch und ihr werdet Teil der Kunstwerke! Ihr könnt in sie hineingehen, sie auf eurem Körper sehen, sie hören und fühlen. Spätestens mit den Environments der 1960er Jahre haben Künstler*innen die Bewegung der Besucher*innen im und um das Werk bewusst im Blick. Aus dem passiven Publikum werden Menschen, die mit allen Sinnen aktiv werden müssen, um in das Kunstwerk „einzutauchen“ – die körperliche Auseinandersetzung wird zu einem wichtigen Bestandteil des künstlerischen Prozesses. Kunstwerke sollen nicht mehr nur still und andächtig betrachtet werden; auch Bewegung und Spiel können zum Kunsterlebnis zählen.” (Website Dortmunder U)
Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Ideen entwickelt, wobei man sich Anfang 2024 auf die Projektidee “un|fenced” festlegte.
Hauptidee war, eine begehbare Rauminstallation zu erschaffen, in der die imaginäre Klangwelt des zoologischen Gartens interaktiv erlebbar wird. Außerdem sollten bei der Raum- und Modellgestaltung visuelle Motive aus dem Gemälde aufgegriffen werden.
Für die Klangwelt wurden drei getrennte Ebenen konzipiert:
- Fünf raumhohe Säulen, die mit unterschiedlichen Stoffen mit Fellmustern bespannt wurden. Jede Säule stellt dabei ein Tier dar.
- Drei “Foley-Stationen”, für die der Instrumentenbauer Franz Leyer Klangerzeuger konstruierte: ein “Donner-Blech”, einen “Regenmacher” sowie eine Drehvorrichtung, die über gespannte Seile ein lautes Holzknarzen erzeugt.
- Eine passiver Hintergrund-Sound, der dem Raum einen Grundton verleiht. Dazu wurde eine Atmo aus verschiedenen Natur- und Tiergeräuschen erstellt.
Klangsäulen
Die Hauptelemente des Raumkonzepts bilden die fünf raumhohen Säulen. Jede Säule steht dabei für ein bestimmtes Tier. Als Tiere wurden ein Elefant, ein Lemur, ein Orang-Utan, eine Schlange sowie ein Leopard ausgewählt.
Die Säulen wurden daraufhin mit Stoffen bespannt, die die Felle der Tiere nachbilden. Idee war es, dass sobald eine Säule berührt wird, ein typischer wiedererkennbarer Sound des Tieres getriggert wird. Wird das Fell gestreichelt, sollen kontinuierlich Tiergeräusche abgespielt werden.
Die Säulen wurden daraufhin mit Stoffen bespannt, die die Felle der Tiere nachbilden. Idee war es, dass sobald eine Säule berührt wird, ein typischer wiedererkennbarer Sound des Tieres getriggert wird. Wird das Fell gestreichelt, sollen kontinuierlich Tiergeräusche abgespielt werden.
Säulen-Konstruktion
Für die Klangsäulen war es wichtig, einen Prototyp zu bauen, um Probleme möglichst früh zu erkennen. Für den ersten Prototyp recherchierten wir daher technische Möglichkeiten und erstellten eine Einkaufsliste. Mit diesem Equipment wurde anschließend in der Fachhochschule ein Prototyp aufgebaut.
Eine Säule registriert das Anfassen der Besucher*innen über einen Verbund aus Kontaktmikrofonen, die über die gesamte Säule verteilt werden. Mehrere Kontaktmikrofone werden dabei mit Klinke-Splittern zu einem Mono-Kanal zusammengeführt. Dies geschieht mehrfach pro Säule, sodass am Ende 4 Kanäle mit einem Kopfhörerverstärker zusammengemischt werden. Der Output dieses Verstärkers wird über ein langes Kabel an ein Audio-Interface weitergeleitet.
Da der Bereich, über den Berührungen registriert werden, ziemlich groß ist, wäre es zu aufwendig, diese Fläche komplett mit Kontaktmikrofonen auszustatten. Um die Zahl der benötigten Mikrofone zu reduzieren, wurde ein Kaninchendraht um die Säulen gespannt, an denen die Piezoelemente befestigt wurden. Sobald der Draht berührt wird, wird er in Schwingung versetzt, was die Mikrofone registrieren. Wir stellen fest, dass dadurch relativ wenig Mikrofone pro Säule nötig sind.
Um die offenen Lötstellen an den Piezoelementen zu schützen, wurden außerdem 3D-gedruckte Schutzkappen erstellt. Sicherheitshalber wurden an jeder Säule mehr Mikrofone angebracht als technisch notwendig, um eventuelle Ausfälle zu kompensieren.
Design der Tiersounds
Der Output der Mikrofone wird an einen Computer gesendet, auf dem ein Max/MSP Patch läuft. In diesem Patch wird das Signal auf verschiedene Weise “gesäubert”, um eine stärkere Trennung von Nutzsignal zu Noise herzustellen.
Dieses gefilterte Signal geht schließlich in das Plugin Reformer von Krotos. Reformer agiert wie eine Art Envelope-Follower, der Samples abhängig von einem Eingangssignal triggert. Die Stärke des Eingangssignals bestimmt dabei, welches Sample ausgewählt wird.
Für den Leoparden und die Schlange wurden Sounds der Krotos-Library verwendet. Für den Elefanten, den Orang-Utan und den Lemur wurde eine neue Library erstellt.
Michael, Sound Designer des Labs, übernahm diese Aufgabe und kreierte für diese Tiere ein Geräuscharchiv, das schließlich in das Plugin geladen wurde.
Foley-Stationen
Im Raum wurden von dem Instrumentenbauer Franz Leyer außerdem drei Foley-Stationen aufgebaut, die zur haptischen Interaktion einladen. Die Sounds, die an den Stationen erzeugt werden, werden über Mikrofone aufgenommen und an die Software Max/MSP gesendet. Dort werden sie auf verschiedene Weise manipuliert (Filter, Hall, Delay etc.) und auf die Raumlautsprecher verteilt. Das “Donner-Blech” löst so neben dem direkten Klang des Bleches auch ein Gewitter im Raum aus. Der “Regenmacher” triggert einen Regenschauer und die hölzerne Drehvorrichtung erzeugt knarzige Echos.
Hintergrund-Atmo
Die von den Säulen und den Foley-Stationen erzeugten Sounds werden in eine Hintergrundatmo eingebettet, die kontinuierlich in einer Dauerschleife im kompletten Raum abgespielt wird. Die Atmo besteht aus Naturgeräuschen und einem atmosphärischen, tonalen Klangteppich.
Raumgestaltung
Die visuelle Raumgestaltung richtet sich nach dem Gemälde von Macke. Einzelne Elemente des Gemäldes wurden dabei extrahiert und in abstrakten Modellen nachgebildet. Inspiriert durch die Zaunpfähle wurde mit Seilen eine Gitterstruktur gebaut, durch die man hindurchlaufen kann. Die Tiere wurden wie oben beschrieben in abstrakten Säulen aufgegriffen. Auf dem Boden wurde darüber hinaus vollständig Kunstrasen verlegt.
Konzept und Aufbau:
Studierende des Masterstudiengangs Szenografie und Kommunikation der Fachhochschule Dortmund.
Seminarleitung:
Prof. Anne-Kathrin Schulz
Prof. Oliver Langbein
Kurator*innen Museum Ostwall:
Viktoria von Pidoll
Michael Griff
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